Resul Özçelik

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Kategorie: Wissenschaft

  • Laborkittel trifft Gebetsteppich: Evolution, Offenbarung und ein verwechselter Streit

    Laborkittel trifft Gebetsteppich: Evolution, Offenbarung und ein verwechselter Streit

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    Die Wissenschaft arbeitet mit einer selbstgewählten Brille: Sie sucht nach natürlichen Ursachen für beobachtbare Phänomene. Diese methodische Beschränkung bedeutet nicht, dass Übernatürliches „nicht existiert“, sondern nur, dass es im Labor nicht als Erklärung verwendet wird. Aus dieser Perspektive zeichnen Kosmologie und Evolutionsbiologie eine robuste Zeitleiste: ein Universum von rund 13,8 Milliarden Jahren, ein Sonnensystem von etwa 4,6 Milliarden Jahren, frühe Lebensspuren, später komplexe Organismen und schließlich Homo sapiens im Bereich von rund 300.000 Jahren.

    Wer aus dieser Prozesschronik schließt, jede Form von Offenbarung sei „prinzipiell unmöglich“, nimmt einen methodischen Befund und macht daraus eine metaphysische Behauptung. Das ist ein Kategorienfehler. Wissenschaft beantwortet „Wie?“ und „Wodurch?“ in der Welt der Ursachen. Ob „jemand spricht“ – also ob es eine adressierte Botschaft, Sinn und Ziel gibt – gehört in eine andere Erkenntnisspur mit anderen Begründungsarten.

    Offenbarung: Ein anderer Typ von Wissensanspruch

    Die Behauptung, dass Gott mit Menschen spricht, ist kein wiederholbarer Laborversuch, sondern ein historisch-textueller Anspruch. Er wird geprüft an Überlieferungsketten, Textkritik, Kohärenz des Korpus und an seiner Wirkungsgeschichte auf Menschen und Gemeinschaften. Historiker, Juristen und auch unser Alltag arbeiten häufig mit Zeugenschaft, Dokumenten und Plausibilitätsprüfungen – das sind keine naturwissenschaftlichen Experimente, aber dennoch rationale Verfahren.

    Das anzuerkennen ist keine Wissenschaftsfeindlichkeit, sondern eine saubere Trennung der Erkenntnispfade. Offenbarung beansprucht nicht, Naturgesetze zu negieren, sondern Sinn zu geben, Orientierung zu stiften und Handeln zu normieren. Sie fragt nicht nach der Mechanik des Kosmos, sondern nach Richtung, Verantwortung und Antwortfähigkeit des Menschen. Wer diese Ebene pauschal ausblendet, argumentiert nicht wissenschaftlich, sondern weltanschaulich.

    Theistische Evolution: Prozess ernst nehmen, Sinn nicht verlieren

    Es ist gut möglich – und aus klassisch-theologischer Sicht sogar naheliegend –, die naturhaften Prozesse als „Sunnatullah“, als geordnetes Wirken Gottes durch sekundäre Ursachen zu verstehen. In diesem Rahmen sind Naturgesetze verlässlich, weil die Welt verlässlich ist. Ein Wunder wäre dann keine ständige Regelverletzung, sondern eine gezielte didaktische Ausnahme, die den Sinn schärft, nicht die Ordnung verwirft. Wissenschaft kann diese Ordnung beschreiben; Glaube benennt ihren Grund.

    So gesehen stehen Evolution und Schöpfung nicht auf entgegengesetzten Seiten. Die Evolution erzählt die Geschichte unserer Entstehung; die Schöpfungslehre beantwortet, warum diese Geschichte überhaupt Sinn und Ziel haben darf. Der Mensch darf aus Staub und Sternenmaterie bestehen – und sich zugleich moralisch befragt wissen: Warum sollte ich gerecht handeln? Warum Barmherzigkeit? Warum Verantwortung für den anderen? Das sind Fragen, für die Genome keine fertigen Antworten liefern.

    Sternenstaub & Sure: Wo ich meinen Kompass einstelle

    Mein eigener Kompass ist zweizüngig und doch stimmig: Ich höre auf die Daten des Labors und korrigiere meine Überzeugungen, wenn bessere Evidenz kommt. Zugleich verweigere ich es, den Sinnhunger des Menschen als Artefakt wegzuerklären. Naturgesetze sind für mich keine Konkurrenz zu Gott, sondern Ausdruck von Verlässlichkeit. Die Ordnung der Welt ist keine Mauer gegen das Wort, sondern ein Resonanzraum, in dem ein Wort gehört werden kann.

    Darum trenne ich die virale Behauptung sauber auf: Ja, die Natur zeigt stabile Prozesse – das bestätigt die Forschung täglich. Nein, daraus folgt nicht, dass Offenbarung unmöglich ist; das wäre ein Sprung aus Methodik in Metaphysik. Gute Debatten halten ihre Kategorien auseinander: Wir sprechen mit der Wissenschaft über den Mechanismus, und mit Theologie und Ethik über Richtung und Verantwortung. Wer beides zusammendenkt, macht weder den Sternenstaub klein noch die Sure leise.

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